Manchmal frage ich mich, wie oft ich eigentlich in meinem Erwachsenen Leben in der Gegenwart gelebt habe: Im Hier und Jetzt. Da ich so oft damit beschäftigt bin, darüber nachzudenken, ob ich alles „richtig“ gemacht habe, verbringe ich beinahe die Hälfte meiner Wachzeit in der Vergangenheit. Die andere Hälfte-so kommt es mir vor- verbringe ich damit, über die Zukunft zu spekulieren: Über die Zeit, die noch nicht da ist. Ständig lebe ich mit dem Gefühl, nicht genügend Zeit für die Dinge zu haben, die mir wichtig sind. Auf der anderen Seite verbringe ich ja fast meine gesamte Zeit in den beiden Welten, die mich vom Leben wegführen: Vergangenheit und Zukunft. Im Land der Zukunft ist alles möglich und trotzdem ist da auch die Angst vor Veränderungen in meinem Leben: Freunde, die aufhören Freunde zu sein, liebe Menschen, die mir „wegsterben“. Und auch ich werde eines Tages in der Zukunft sterben. Und auch wenn unsere Werbebranche mit der Jugendlichkeit wirbt und damit die Angst vor dem Älterwerden schürt, erinnere ich mich nur zu gut, wie unsicher ich mich oft als Jugendliche und junge Erwachsene gefühlt habe. Das Jungsein half mir nicht dabei zufrieden und glücklich zu sein, weil ich mich selbst nicht kannte und nicht wusste was (mir) wirklich wichtig war. Wenn Menschen mich kritisierten, dachte ich oft, dass sie ja recht hätten. Bis zu dem (heutigen) Punkt, an dem ich denke, dass vieles, was kritisiert wird auch immer mit ein Problem der Kritiker ist. Denn ich habe an meinen Problemen gearbeitet und kenne sie mittlerweile gut genug J. Es macht mich traurig, daran zu denken, dass mir oft nur in den Zeiten der (Gesundheits-)Krise bewusst war, was wichtig war und was meine Aufgabe war. Ganz so, als könnte ich nur den Moment leben, wenn der Tod oder Horrorszenarien an meine Tür klopfen. Vielleicht ist das dann auch die Zeit, wo ich das wertschätze, was mein Leben reich macht. Es ist wie mit einem guten Freund, der wegzieht: Die Bedeutung der Freundschaft wird mir erst klar, wenn die Freundschaft schon nicht mehr da ist. In den anderen Zeiten meines Lebens nahm ich die guten Dinge hin und konzentrierte mich fast ausschließlich auf das, was (noch) nicht funktionierte. Auf diese Art und Weise konnte ich selten den Moment genießen. Aber der Moment ist die einzige Zeit, wo ich das Leben tatsächlich leben kann. Alles andere trennt mich davon: Wenn Freunde mir von sich erzählen und ich schon mit meinen Gedanken bei den Dingen bin, die ich als nächstes tun muss. Wenn ich etwas erreicht habe, wovon ich lange geträumt habe und ich –anstatt mich zu freuen-schon bei den Schritten für das nächste Projekt bin. Deshalb werde ich mir jetzt das Versprechen geben, dass ich wenigstens einmal am Tag den Moment spüre-auch wenn das heißt, dass ich mich dann traurig, leer oder einsam fühlen könnte.

Dies sind meine Gedanken, die ich mit Ihnen, liebe Leser, teilen möchte.

Renate Weber

Written by Renate Weber