Was ist HSP? Und wer bin ich, wenn ich HSP habe? HSP heisst übersetzt High Sensitive Person (Hochsensitive Person). Doch eigentlich erklärt das noch recht wenig. Ich selbst habe mich seit ich denken kann immer irgendwie wie ein Alien gefühlt. Das wurde mir immer schmerzlich bewusst, wenn ich es mit Gruppen zu tun hatte. Wenn in meiner Jugendzeit und auch noch als junge Erwachsene darüber debattiert wurde, zu welcher Party oder Kneipe man gemeinsam gehen wollte, dann hatte ich immer das Gefühl, mich am liebsten Freitag abends in meinem Bett verkriechen zu wollen. Überredeten mich die anderen, doch endlich mal “aus meiner Mausehöhle” hinauszukommen, so war niemand froher als ich, wenn wir wieder im Nachtbus nach Hause saßen. Selbst in Cafés wurde es mir oft “zu nervenaufreibend” wenn der Geräuschpegel anschwoll und ich Mühe hatte, mein Gegenüber zu verstehen. Nach Veranstaltungen wollte ich immer möglichst schnell ins Schwimmbad oder ins Freie und es nervte mich, wenn meine Freundinnen dann noch ewig diskutierend beeinander standen und sich noch gar keine Gedanken gemacht hatten, wo wir hingehen wollten. Außer im (halbleeren) Schwimmbad und im Bett, schien ich mich nie lange an einem Ort wohl zu fühlen. Gefiel es mir doch durch ein intensives Gespräch mit (oft) nur einer Person, so klang das noch lange in mir nach. Wenn ich den anderen dann auf dieses Gespräch ansprach, bemerkte ich, dass es für ihn/sie gar nicht “so wichtig” gewesen war. So erging es mir auch häufig in Freundschaften, in denen der andere für mich Priorität, ich für ihn/sie jedoch nur eine Option von vielen war. Erst als ich während meines Klinikaufenthaltes Menschen traf, die sich ähnlich “depressiv” zurückzogen, machten mich Mitpatienten darauf aufmerksam, ich könnte hochsensitiv sein. Der häufige Rückzug kann zwar zu Depressionen führen, da er ja tatsächlich sozial isoliert, ich glaube jedoch mittlerweile, dass ich einfach länger Ereignisse nachverarbeite, weil ich jeden Reiz in meiner Umwelt ungefiltert aufnehme. Wissenschaftler gehen davon aus, dass 20% der Menschheit hochsensibel sind. Als ich am Wochenende an einem Seminar über HSP teilnahm, da war es zum ersten Mal so, dass ich mich nicht mehr als “Alien” fühlte. Es kam mir so vor, als hätte ich eine versteckte Wiese entdeckt, auf der noch mehr “Aliens” zu finden waren. Hier wunderte sich niemand, dass ich nach dem Seminar nicht zum gemeinsamen Abendessen wollte oder mich zwischendurch unter Decken zurückzog. Ich fiel sozusagen gar nicht auf. Und das tat mir sehr sehr gut! Neben ihren vielen Nachteilen (geringere Belastbarkeit, häufiger Rückzug, weniger soziale Teilhabe) kann ich nun auch den Segen sehen, der in meiner Hochsensibilität versteckt ist.

Ich nehme schnell Gefühlslagen und Stimmungen anderer wahr und kann mich darauf einstellen. Ich habe einen Beruf gewählt, in dem ich meine Gabe nutzen kann, um Schüler emotional zu unterstützen und dadurch besser fördern zu können. Ich habe meine starke Phantasie als Begabung angenommen und das Heilungsmärchen FULNA sowie meinen autobiographischen Heilungsroman WIEDERGEBORENE geschrieben. Und im Kontakt mit anderen HSP war es erleichternd für mich zu erkennen, dass ich nicht “spinne”, sondern einfach nur andere Bedingungen brauche, weil mein Gehirn Reize anders verarbeitet. Ich bin sehr dankbar, dass ich jetzt weiß, “was mit mir los ist”. Und ich ermutige jeden, zu überprüfen, ob er/sie nicht ebenfalls hochsensitiv ist. Nach dieser Erkenntnis sind Veränderungen möglich und vielleicht sogar-so hoffe ich-auch ein gewisses Training, mehr bei mir zu bleiben. Liebe Grüße

Renate Weber

Written by Renate Weber