Renate Weber ist seit 2014  immer wieder zu Gast im buddhistischen Koster. In diesem Newsletter berichtet sie über ihren Klinikaufenthalt und ihr Heilungsmärchen FULNA.

Die “Geburt der Fulna“

Wer ist Fulna? Und was passiert eigentlich in einer psychosomatischen Klinik? Abgesehen davon, dass es schwer in Worte zu fassen ist, was dort eigentlich “gemacht wird“, ist es wahrscheinlich, dass ein Klinikaufenthalt für jeden von uns „Patienten“ etwas anders bedeutet – je nachdem, was wir dort erlebten. Ich würde sogar sagen, je nachdem, wie es danach für uns weiterging. Denn natürlich sind wir alle in die Klinik gegangen, damit es uns danach besser gehen sollte. Ich war zweimal in „der Klinik“ Während meines ersten Aufenthalts habe ich gelernt, Menschen wieder zu vertrauen und mich ihnen anzuvertrauen. In meinem zweiten Aufenthalt habe ich gelernt, dieses Vertrauen nicht wieder zu verlieren, auch wenn sich Therapeuten und Gruppenmitglieder nicht so verhalten haben, wie ich es mir gewünscht hätte.  Ich lernte, dass es trotzdem noch einen Weg “dazwischen“ gibt und dass ich mich nicht “wegmachen“ muss, wenn andere mich und mein Verhalten kritisieren. Wenngleich dieser letzte Aufenthalt auch viel schwerer durchzustehen war, so kam danach noch ein viel härterer Kampf auf mich zu: Der in der Realität “draußen“.  Um die Klinik nachzuverarbeiten und mich langsam auf diese Realität „draußen“ vorzubereiten, ging ich für mehrere Wochen in ein Buddhistisches Kloster. Die herzliche Gemeinschaft und die täglichen Mediationen gaben mir wieder Halt im Leben. Und schließlich wagte ich die Rückkehr nach Hause: Hier fühlte es sich jedoch so an, als ob alle Konflikte, die ich hinter mir gelassen hatte, in einer Art Donnerwolke wieder über mich hereinbrachen. Ich wusste nicht, gegen wen oder was ich mich zuerst wehren sollte und vor allen Dingen wie. Der Vermieter wollte eine enorme Mieterhöhung, der neue Chef wollte eine Überprüfung der Dienstfähigkeit und hatte mich schon als “Frühverrentung“ abgeschrieben  und meine Stelle war bereits ausgeschrieben, meine beste Freundin war in Australien und die einzige Traumatherapeutin, die auf meine Anfrage reagierte, wollte mich nicht nehmen, weil ich ja schon eine Nachsorgegruppe und einen Psychiater hätte. Ich war verzweifelt und fühlte mich kraftlos. In diesem Moment erschien vor meinem inneren Auge die zähe, rote Drachin Fulna. Sie war während der Intensivwoche unter der fürsorglichen Betreuung meiner damaligen Therapeuten entstanden. Mit ihren saphirblauen Augen blickte sie mich wütend an und zischte: –Jetzt reicht es mir aber! Ich habe die Faxen dicke!  Dabei entströmte Rauch aus ihren schuppigen Nüstern und eine Stichflamme schoss aus ihrem Maul hervor. Ich blickte sie erstaunt an, doch dann fiel mein Blick wieder auf die Vorladung zum Versorgungsamt, das Mieterhöhungsschreiben und einige Strafzettel wegen Falschparkens. –Und nun?, fragte ich mein Krafttier. –Diesmal weichen wir nicht aus. Du nimmst jetzt endlich deinen Platz ein. Der steht dir zu!   -Aber ich habe keine Kraft mehr, weiterzukämpfen. Es hat doch eh keinen Sinn, erwiderte ich. –Doch hat es! Und ich komme mit!, fauchte die Drachin und ihre Augen blitzten kampfeslustig auf. Ich seufzte. Zu allem Überfluss wurde ich am Tag vor der Dienstuntersuchung auch noch krank. –Egal!, brummte meine Drachin mir ins Ohr, als ich am nächsten Tag wie benommen in die S-Bahn stieg. Es war schwer für mich auszuhalten, dass die Ärztin, die mir nun gegenüber saß, mit einem Federstrich über mein 36-jähriges Leben entscheiden konnte. Immer wieder drückte ich meine Füße fest auf den Boden und stellte mir vor, dass Fulna hinter mir wachte und mich verteidigte, so dass ich mich nicht mehr verteidigen musste und ganz ruhig und knapp Antwort gab. Die Ärztin las mir meine Fehlzeiten aus den letzten drei Jahren vor. Ich erkannte, dass es fatal ausgehen könnte, wenn ich jetzt etwas Rechtfertigendes über die Therapie sagte, so sehr mir diese auch geholfen hatte. Doch die Zahlen und die mehrmaligen Wiedereingliederungsversuche sprachen gegen mich. –Ich bin auf einem guten Weg, sagte ich mit fester Stimme. -Und ich brauche diese Wiedereingliederung, um anzuwenden, was ich gelernt habe. Ich bekam die Wiedereingliederung, kämpfte mit Fulnas Hilfe gegen den Argwohn des neuen Chefs und die aggressiven Schuldvorwürfe einer Abteilungsleiterin an. Und dann tat ich etwas, das mich unabhängiger gegenüber allen geringschätzenden Blicken und Widerständen machte: Ich schrieb ein Heilungsmärchen über Fulna. Damit wollte ich zugleich mir und anderen Mut machen, dass es sich nämlich lohnt, weiter zu kämpfen. Ich hoffe, dass ich Euch auch mit meiner “Geschichte“ Mut machen konnte.     Liebe Grüße und alles Gute auf Eurem Weg! Renate

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